Hochsensibel – wann und warum?
Hochsensibilität (auch: Hochsensitivität, Hypersensibilität oder Überempfindlichkeit) ist ein Phänomen, bei dem Betroffene stärker als der Durchschnitt auf Reize reagieren. Sie nehmen diese viel eingehender wahr und verarbeiten sie entsprechend “anders”. Das kann sich in – für Außenstehende – teilweise seltsam wirkenden und spontanen emotionalen Ausbrüchen wie kurzfristigem Weinen oder Lachen äußern. Bisher gibt es jedoch keine eindeutige und allgemein anerkannte Definition des Phänomens. Das liegt unter anderem daran, dass die High-Sensitivity-Forschung (HS-Forschung) ein sehr junger Wissenschaftsbereich ist.
Hochsensibilität: Mögliche Symptome
Die Palette der möglichen Erscheinungsformen von Hochsensibilität ist groß: Es ist denkbar, dass jeder Sinneseindruck von einem Hochsensiblen stärker (und eventuell detaillierter) wahrgenommen wird als von einem weniger sensiblen Menschen; häufig wird auch von höherer Intensität des Empfindens von Stimmungen der Mitmenschen berichtet.
Elaine Aron, sie gilt als Vorreiterin auf diesem Gebiet, hält nachfolgende Eigenschaften fest, die auf Hochsensibilität hinweisen (können) sind:
- detailreiche Wahrnehmung,
- ausgeprägte subtile Wahrnehmung (vielschichtige Fantasie und Gedankengänge),
- hohe Begeisterungsfähigkeit, sehr vielseitige Interessen,
- erhöhte Schmerzempfindlichkeit,
- sehr ausgeprägtes Langzeitgedächtnis,
- psychosoziale Feinwahrnehmung (Befindlichkeiten, Stimmungen und Emotionen anderer Menschen werden leichter und detaillierter erkannt),
- Hang zum Perfektionismus,
- ausgeprägtes intuitives Denken,
- Denken in größeren Zusammenhängen,
- langer emotionaler „Nachklang“ des Erlebten,
- Intensives Erleben von Kunst und Musik,
- stärker beeinflussbar durch Stimmungen anderer Menschen,
- ausgeprägter Altruismus, Gerechtigkeitssinn sowie
- Harmoniebedürfnis, Gewissenhaftigkeit.
Was bedeutet das schlussendlich? Durch die verstärkte Reizaufnahme und ihre tiefere Verarbeitung ergeben sich z.B. unreflektiertes Schließen von sich auf andere („Wie kannst du nur so unsensibel sein und das nicht verstehen?“ ist ein typischer Satz) und ein intensives Erleben von zwischenmenschlichen Beziehungen. Hochsensible berichten, sie können spüren, welche emotionalen Verbindungen zwischen Menschen herrschen, ohne die Personen zu kennen.
Die immense Reizüberflutung kann zudem starke Reaktionen auf Alkohol und Koffein mit sich bringen sowie Anfälligkeiten für Stress (z. B. durch Leistungsdruck und Zeitknappheit) umfassen.
Hochsensibel – Was tun?
Vermutlich stellen sich einige hochsensible Personen (HSP), wie auch deren Angehörigen, die Frage nach dem Warum und dem “Was kann ich tun?”. Die ersten Schritte liegen darin, zu verstehen, dass Hochsensibilität keine Krankheit ist. Es ist eine Art zu Empfinden, die das Denken und Handeln beeinflusst. Ferner gibt es Anlaufstellen, die Beratung und Hilfe bieten. Weiterhin ist es wichtig, einige Handlungsbilder zu kennen und sich auf diese einzustellen. HSP neigen zur Gewissenhaftigkeit und Detailverliebtheit, was Zeit, Akribie und eine ruhige Atmosphäre erfordert, die nicht immer gegeben ist. Leistungsdruck und das Fällen schneller Entscheidungen liegen ihnen seltener als Nicht-HSP, was in einer von vielen Menschen als “Leistungsgesellschaft” empfundenen Umgebung von Nachteil sein kann. Privat sind HSP auf das Verständnis ihrer Mitmenschen angewiesen. Das Verhalten anderer wird schneller “überinterpretiert”, was zu Kommunikationsschwierigkeiten führen kann. Gleichzeitig korreliert Hochsensibilität mit hohem Einfühlungsvermögen (Empathie). Es ist demnach wichtig, andere entsprechend aufzuklären, ohne dabei der Gefahr zu erliegen, Hochsensibilität als Ausrede für persönliche Muster zu missbrauchen.